«Wir wollen unseren Nutzern Superkräfte verleihen»

Die Australierin Melanie Perkins macht mit ihrer Plattform «Canva» Design für alle zugänglich. Wir haben mit ihr über die Wichtigkeit von Design und schlanken Prozessen gesprochen.

Canva wird heute in 190 Ländern eingesetzt und hat mehr als 20 Millionen aktive Nutzer pro Monat. Was ist deiner Meinung nach der Schlüssel zu eurem Erfolg?  

Es ist der riesige Trend, auf den wir vor bald 10 Jahren aufgesprungen sind. Viele Leute hatten keine eigene Erfahrung mit dem ­Designen eines Produkts. Also hatten wir die Idee, alle Schritte für die Kreation in einer Plattform zusammenzufassen und diese auch für Laien verständlich aufzubauen. In einem Unternehmen braucht vom Social-Media-Betreuer bis zum Verkaufsmitarbeiter jeder Zugang zu unterschiedlichen Komponenten des Firmendesigns. Im Verkauf etwa braucht ein Mitarbeiter jeden Tag individuelle, auf den Kunden ausgerichtete Präsentationen. Dabei werden weltweit unzählige Präsentationen erstellt, teilweise immer ­wieder von Grund auf und von jedem Mitarbeiter separat. Die Notwendigkeit guten Designs hat in den letzten Jahren immer mehr zugenommen und wird uns in einer immer visuelleren Welt in Zukunft auch stark weiterbeschäftigen. 

Somit holt Canva durch ansprechende Vorlagen nicht-professionelle Nutzer ab? 

Wir decken sowohl die professionelle Seite als auch die private Seite von Nutzern ab. Für beide Zielgruppen bedeutet Canva eine Erleichterung. Wir bieten einerseits nicht-professionellen Anwendern einen ­einfachen Einstieg und andererseits pro­fessionellen Anwendern die vereinfachte ­Verwaltung von Gestaltungsvorlagen sowie die Sicherstellung eines einheitlichen Markenauftritts über das gesamte Unternehmen. Privatpersonen hatten bisher einen ­erschwerten Zugang zu hochwertigen Gestaltungen von Kommunikationsmitteln, sei es eine Visitenkarte oder auch digitale ­Inhalte. Sie wollen nicht unbedingt mit ­komplizierten Programmen arbeiten und als Alternative bleiben dann für viele Zwecke oft nur unzureichende Anwendungen mit unästhetischen Schriftarten und Design-Vorlagen. Auf professioneller Seite sieht man zu oft, dass der Markenauftritt nicht einheitlich hinausgetragen wird. Dies erfordert ein hohes Mass an Disziplin oder eine Lösung, welche das sicherstellt. Zudem geht viel Zeit verloren, wenn die Grundgestaltung für eine Präsentation jedes Mal neu ­erstellt wird oder bei einem Tippfehler auf einer Visitenkarte nochmals ganze Abteilungen beigezogen werden müssen. So wollten wir ein Programm für Nicht-Profis und Profis entwickeln, welches den Aufwand reduziert und administrative Leerläufe unterbindet.

Es gibt noch andere, vergleichbare ­Lösungen wie Canva auf dem Markt. Was ist das Besondere deiner Software? 

Eines unserer Ziele war von Anfang an, dass wir das gesamte Ökosystem für Design an einer Stelle zusammenfassen wollten. Das macht es gerade für kleine Unternehmen viel einfacher. Wenn ich für ein Projekt etwa Fotografien, Illustrationen und eine Schrift brauche, bewege ich mich zwischen unterschiedlichen Plattformen und Anbietern. Unser Ziel war es, all diese Anforderungen an einem Ort zu lösen und das Ganze zusammenzuführen. 

In Canva kann man die Firmenfarben, eigene Schriften und auch das Firmenlogo hinterlegen. Zielt ihr damit direkt auf den professionellen Markt? 

Das Designteam eines grossen Unternehmens beginnt oft bei Null und es bestehen nicht immer ideale Verbindungen zwischen den verschiedenen Touchpoints, die eine Firma in der Öffentlichkeit hat. Trotzdem sollte das Bild nach aussen einheitlich sein. Wir wollen unseren Nutzern Superkräfte bezüglich Markenführung und Einhaltung der Markenrichtlinien verleihen und ihnen ­dabei helfen, dass sie sich auf die Inhalte konzentrieren können. Dazu haben wir aber noch ganz andere Funktionen eingeführt, etwa einen Approval-Workflow. So kann ein Unternehmen den Mitarbeitern Zugang zur Gestaltung von Kommunikationsmitteln geben, die das Marketing- oder Design-Team anschliessend freigibt. Es sind gerade diese verschiedenen Workflow-Überlegungen, mit denen wir uns gerne beschäftigen. 

Bei Workflows geht es schnell auch um das Verbinden unterschiedlicher Systeme. Bietet ihr auch Schnittstellen an? 

Dateien aus Illustrator oder anderen Programmen können heute einfach in Canva hochgeladen und dort mit den Brand Assets abgelegt werden. Dazu ist es möglich ­Lösungen wie Dropbox oder Google-Drive zu integrieren, sodass man direkt aus Canva auf Inhalte zugreifen kann. Weiter sind wir kürzlich eine Partnerschaft mit HubSpot ­eingegangen. Leute, die HubSpot benutzen, können einfach mit einem Canva-Button auf die Lösung direkt in der Plattform von HubSpot zugreifen und erhalten ein integriertes Nutzererlebnis. 

Innerhalb von Canva werden zehn­tausende Vorlagen und Designs bereitgestellt. Woher kommen all diese Gestaltungen? 

Wir haben ein eigenes, relativ grosses Team, das für die Erstellung der Designs zuständig ist. Und wir erweitern unsere Bibliothek ­laufend, auch im Gespräch mit den Nutzern. Diese geben uns oftmals Hinweise für die Themenschwerpunkte, welche wir setzen sollten. Das Feedback von der Community ist uns sehr wichtig, damit wir ihnen auch ­effizient helfen können, ihre Ideen zu kommunizieren und unterschiedliche künstlerische Stile zu bestimmten Themen anzubieten. 

Melanie Perkins sprach mit uns am WebSummit über Design und Workflows.

Wird somit Canva die Leistungen von Agenturen ersetzen?

Wir sehen oft, dass Agenturen Canva erfolgreich einsetzen. Eine Agentur kann, statt eigene Markenrichtlinien für einen Auftrag­geber zu erstellen, direkt Vorlagen in Canva hinterlegen. Ich denke, dass der wirklich spannende Punkt für eine Agentur darin ­besteht, dass dann eine langfristige Zusammenarbeit mit dem Unternehmen und eine viel tiefere Integration aufgebaut werden kann. Die Agentur kann sich so auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren, etwa die Brand Assets und Markenrichtlinien. Wir arbeiten zudem an der Entwicklung eines Produkts, das speziell auf Agenturen ausgerichtet ist, um ihnen effektiv zu helfen, die Arbeit mit vielen verschiedenen Kunden gleichzeitig zu erleichtern. Das war schon immer ein riesiger Markt für uns und wir freuen uns, dort zukünftig noch mehr zu ­bewegen.

Innerhalb von Canva ist es auch möglich, Druckerzeugnisse zu bestellen… 

… Ja, wie bereits erwähnt besteht unser Ziel darin, die Ideen unserer Nutzer in ein Kommunikationsprodukt zu verwandeln. Wir bewegen uns also zwischen der Ausgangsidee und dem fertigen Produkt, ­­­das diese Idee kommuniziert. Wir haben festgestellt, dass mit Canva vielfach Visitenkarten entworfen, Marketingunterlagen und Präsentationen gestaltet wurden – oft mit der Absicht, eine Druckdatei zu erstellen. Dafür mussten die Nutzer die Designs herunter­laden und woanders wieder hochladen. Unser Ziel ist es, diesen Prozess zu vereinfachen und alle Schritte in Canva zu vereinen. Hierzu haben wir in 46 verschiedenen ­Ländern weltweit Partner für die Produktion hochwertiger Druckerzeugnisse gefunden und gewährleisten gleichzeitig, dass die Produkte möglichst nahe beim Kunden ­hergestellt werden. Dies ermöglicht eine schnelle und günstige Lieferung und entspricht zudem unserem nachhaltigen Ansatz, den wir etwa auch bei der Wahl von ­Recyclingpapier verfolgen.  

Herzlichen Dank für das Gespräch! ↑

  • Autor Laurent Gachnang
    Laurent Gachnang ist seit über 15 Jahren in der Medien- und Unterhaltungsindustrie tätig. Er gilt als Experte für digitales Publizieren und Online Marketing. Zuletzt arbeitete er bei einem Medienunternehmen als Marketingverantwortlicher und war massgeblich an der Lancierung eines Change-Prozesses beteiligt. Als Gastdozent ist er an diversen Fachhochschulen sowie ehrenamtlich als Mentor bei der Startup Academy Basel tätig.
  • Rubrik Design & Praxis
  • Dossier: Publisher 6-2019
  • Thema Workflows, Ökosystem, Canva

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