Umbruch im Layoutbereich?

Seit 20 Jahren gibt es Adobe InDesign. Dieses Layoutprogramm hat im ­professionellen Bereich bald nach seinem Erscheinen die absolute Führungsrolle übernommen und andere Lösungen (etwa QuarkXPress) weitgehend verdrängt. Bleibt InDesign auch in den kommenden Jahren dominant oder bahnt sich eine Veränderung an?

Nach einer langen stabilen Phase kommt in letzter Zeit etwas Bewegung in das Segment der Layoutprogramme. Um die Situation einzuschätzen, hier vorerst ein kurzer historischer Überblick über den Hauptplayer und die beiden «Nebenbuhler» in diesem Markt.

Quark XPress: Vom Dominator zum interessanten Nischenplayer

Quark XPress gehörte – zusammen mit Page Maker – zu den Pionieren des Desktop Publishing: Die erste Version erschien bereits am 31. März 1987. Sehr rasch fand das Programm mit der Einführung des Macs für die Satzproduktion eine grosse Verbreitung. In den Neunzigerjahren und noch über die Jahrtausendwende hinaus war es in der Druckvorstufe und bei den Agenturen absoluter Marktführer.

Technisch und vom typografischen Anspruch her war diese Software jederzeit auf einem sehr hohen Niveau. Allerdings benahm sich die Firma Quark in dieser Zeit nicht immer kundenfreundlich: Mal waren es nicht funktionierende Dongles (Hardware-Kopierschutz), mal der liederliche oder ganz fehlende Support, welcher die Anwender vergraulte. Deshalb war der Goodwill gegenüber der Firma Quark auf einem Tiefpunkt, als Adobe InDesign auf den Markt brachte.

Adobe  InDesign: Kometenhafter Aufstieg bis zur Marktbeherrschung

Am 31. August 1999 wurde die erste Version von InDesign auf den Markt gebracht. Nach Illustrator, welcher schon 1987 erschien, und dem 1990 lancierten Photoshop hatte Adobe nun endlich auch ein professionelles Layoutprogramm anzubieten. Dagegen war der Aufkauf von Aldus 1994 und die ­damit einhergehende Übernahme von Page­Maker vorher nie eine ernsthafte Konkurrenz für Quark XPress gewesen.

InDesign entstand aus einer Symbiose von ehemaligen PageMaker-Funktionen, vielen gut «abgeschauten» und angepassten XPress-Tools und einigen Neuentwicklungen. PageMaker als semiprofessionelles Layoutprogramm lief übrigens in dieser Zeit weiter, das letzte Update erschien noch 2004. Der bis heute andauernde grosse Erfolg von ­InDesign beruht darauf, dass das Programm mit einem  enormen Funktionsumfang auftrumpft. Zudem ist es heute Teil der Adobe Creative-Cloud-­Familie (vorher der CreativeSuite). Die meisten Anwender brauchen nebst dem Layoutprogramm auch mindestens Photoshop, Illustrator und Acrobat Pro, also kommt man nicht darum ­herum, ein CC-Abo abzuschliessen. InDesign ist darin enthalten, also gibt es keinen offensichtlichen Grund, sich noch nach einem weiteren Layoutprogramm umzuschauen. Der Erfolg von InDesign hat auch dazu ­geführt, dass sehr viele Publizierende das Programm beherrschen und nur ungern wechseln würden. Die ­Zusammenarbeit von Publishern wird dadurch ­erleichtert, dass alle mit der gleichen Software arbeiten. Die Adobe-Cloud-Bibliotheken sind ein ­weiteres Argument, um für betriebsübergreifende Layoutprojekte auf InDesign zu setzen.

Serif Affinity Publisher: Neue Konkurrenz mit Potential?

Die Firma Serif wurde 2009 in England gegründet; sie entwickelte Layoutsoftware für Windows, welche im Publishing-Bereich aber eher ein Nischendasein fristete. Seit 2014 stieg die Aufmerksamkeit, als das Grafikprogramm Affinity Designer auf den Markt kam. Kurz darauf erschien Affinity Photo und als letztes Programm des Trios im Juni 2019 der Affinity Publisher.

Die gesamte Affinity-Publishing-Pro­gramm­palette ist also noch sehr neu. Bei Affinity Designer und Photo waren die meisten Anwender positiv überrascht ob des Funktionsumfangs, der durchdachten Bedienung und des frischen Designs der Software. Die Veröffentlichung des Layoutprogramms Publisher wurde ein paar Mal verschoben; es schien, dass Serif viel mehr Aufwand in dessen Entwicklung investieren musste, als dies beim Grafik- und Bildbearbeitungsprogramm der Fall war. Auch heute, ein halbes Jahr nach Erscheinen der finalen Version,  stellt man noch Ecken und Kanten bei der Anwendung fest und vermisst einige Schlüsselfunktionen (siehe Kasten). Insgesamt macht dieses Layoutprogramm aber bereits einen sehr guten Eindruck! Allerdings reicht es vom Funktionsumfang nicht annähernd an InDesign und auch nicht an Quark XPress heran – gerade deshalb ist es für Quereinsteigende aber interessant, denn es wirkt entschlackt und lässt beim Layouten vieler Produkte kaum Wünsche offen. Dass sich die Abläufe nicht per Skript automatisieren lassen und sich das Programm auch nicht – wie die beiden anderen – in Redaktionssysteme einbinden lässt, stellt für viele User überhaupt kein Problem dar.

Überlegungen zu Preis/Leistung

InDesign ist bekanntlich nur im Abo erhältlich. Als Einzelprodukt-Abo kostet es derzeit CHF 23.70 pro Monat. Das CC-Komplettpaket  kostet monatlich CHF 58.15.

Quark bietet neu ein Advantage Pack für 1, 2 oder 3 Jahre an. Darunter ist nicht ein Abo zu verstehen, sondern der Kauf des Programmes mit einer entsprechenden Upgrade­garantie. Interessant ist das Competitive Upgrade: Wer irgendeine Adobe- oder Microsoft-Lizenz vorweisen kann, profitiert von einem Sonderpreis von 295 $ für 1 Jahr, 525 $ für 2 Jahre resp. 695 $ für drei Jahre. Das Programm kann aber in jedem Fall beliebig lange weiter genutzt werden.

Furore macht Serif mit den Preisen für die Affinity-Lösung: Der Normalpreis beträgt symbolische CHF 48.– pro Lizenz (ab 10 Lizenzen gibt es zudem Rabatt). Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist wirklich sensationell!

Für professionelle User ist die Preisfrage sekundär: In erster Linie muss das Programm für die anfallenden Aufgaben geeignet sein. Bei einer Vollzeit-Auslastung beeinflusst der Preis der Software den Stundensatz nur marginal. Anders sieht es für gelegentliche Anwender aus: Für sie sind XPress und insbesondere Affinity valable Alternativen, um Kosten zu sparen.

Wird Adobe Marktanteile verlieren?

Im professionellen Publishing-Umfeld hat Adobe im Moment noch nicht viel zu befürchten. Wenn wir aber in die Überlegungen einbeziehen, wo heute überall Publi­shingprogramme eingesetzt werden, sieht die Beurteilung etwas anders aus: Im semiprofessionellen Umfeld und beim Corporate Publishing in Firmen und Organisationen wird Affinity Publisher vermehrt erfolgreich eingesetzt werden.

Die Serif-Entwickler sind agil und lern­fähig: Es ist ihnen zuzutrauen, dass sie den Publisher schon bald soweit bringen, dass er in der Profiliga mithalten kann. Das ganze ist spannend, der frische Wind tut allen gut!

Einige wichtige Plus- und Minuspunkte von InDesign, Affinity Publisher und Quark XPress

Adobe InDesign CC 14.0.3
+    Vielseitige Funktionen wie z.B. Datenzusammenführung, Textvariablen, Fuss- und End­noten, Word-Importoptionen, PDF-Kommentar-Import, Layoutanpassung u.v.m.
+    Gute Mikrotypo, optimale OpenType-Unterstützung, optisches Kerning
+    Grepsuche und Grepstile
+    Fast perfekte deutsche Silbentrennung und Rechtschreibprüfung dank Duden-Integration
+    Zugriff auf eine grosse Adobe-Fontbibliothek
+    Gute Integration mit anderen CC-Programmen (insbesondere Photoshop und Illustrator)
+    CC Libraries, Austausch von Gestaltungselementen innerhalb oder ausserhalb des Teams
+    Optimale Integration in Redaktionssysteme, InCopy als Redaktionstool
+    Automatisierungsmöglichkeit mit Scripts
+    Sehr gute Ausgabesteuerung mit Über­drucken- und Separationsvorschau
+    20 Jahre Entwicklung, ausgereiftes Programm
—    Nur im Abomodell erhältlich (CC- oder Single-App-Abo)
—    Für Gelegenheitsanwender hoher Preis
—    Rückwärtskompatibilität nur über IDML
—    Hohe Einstiegshürde für Quereinsteiger

Affinity Publisher 1.7.3
+    Kauf, kein Abo, Preis-Leistung extrem günstig
+    Übersichtlich, umfasst alle wirklich notwendigen Funktionen für professionelles Layout
+    Gute Typo: Randausgleich, Kerning, Grund­linien- und Dokumentraster
+    Funktionen für Inhaltsverzeichnis und Index
+    Für Quereinsteiger nicht allzu komplex
+    Designer- und Photo-Persona für Vektor- und Pixelbearbeitung
+    Enge Integration mit Affinity Photo und ­Designer für Bilder und Grafiken
+    PDF-Ausgabe in den Formaten X-1a oder X-4
+    Programm wird rasch weiterentwickelt; ­Hersteller reagiert zeitnah auf Kundenwünsche
—    Noch keine InDesign-Kompatibilität (neue Programmversion mit integrierter IDML-Übernahme ist soeben als Betaversion erschienen)
—    Platzierte PDF-Dateien werden analysiert und evtl. verändert
—    (Noch) nicht skriptfähig, auch Grep fehlt
—    Noch kein Verpacken/für Ausgabe sammeln
—    Noch nicht ganz ausgereift, sehr neu, Bedienung zum Teil noch etwas holprig
—    Noch kleinere Mängel an exportieren PDF/X-4-Dateien; X-1a-PDFs sind jedoch korrekt

Quark XPress 2019
+    Lizenz mit Advantage-Programm wird gekauft, Preis-Leistung OK; unlimitierte Weiterverwendung nach Ablauf des Advantage-Programms
+    Übersichtliche Benutzeroberfläche
+    Hochstehende Mikrotypografie
+    Guter Randausgleich
+    Neues, komfortables Tabellentool
+    Integrierte Bildbearbeitung
+    Quark CopyDesk als Redaktionstool
+    Print- und HTML-5-Publikationen
+    Kostenlose Erstellung und Ausgabe unbegrenzter iOS und Android Single Apps
+    Quark Publishing Plattform für Multi-Channel-Publishing
+    Konvertieren von Printlayouts in HTML5 / CSS
+    Grep-Suchen/Ersetzen integriert
+    Javascript kann eingesetzt werden
+    Stabiles, ausgereiftes Programm (seit 1987)
+    Öffnen von .idml-Dateien aus InDesign möglich
—    In der Schweiz nicht (mehr) sehr verbreitet; in Deutschland recht beliebt
—    Nicht eingebettet in eine Programmsuite
—    Nur noch wenige Anwender mit ver­tieftem XPress-Knowhow

  • Autor Beat Kipfer
    Ausbilder FA, PubliCollege GmbH, 3400 Burgdorf.
    Kurse, Lehrgänge, Firmenschulungen und Support für Print und WebPublishing; Fachlehrer an der Schule für Gestaltung Aargau, Kursleiter an mehreren Schulen in der Deutschschweiz.
  • Rubrik Publishing
  • Dossier: Publisher 6-2019
  • Thema InDesign, Adobe

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