Was zählt, sind Inhalte

Täuscht es oder ist das Wort «Story­telling» gerade in aller Munde? Klingt ja nicht schlecht, aber ist das ­tatsächlich eine Erfindung der Neuzeit? Und was unterscheidet diesen Begriff vom ­Content Marketing? Es ist an der Zeit, sich beides einmal näher anzusehen …

Nimmt man es genau, so ist Storytelling schlichtweg ein Instrument des Content Marketing, wobei dieses wiederum ein wenig mehr ist als eine reine Unternehmenspräsentation. Denn natürlich kann man auf seiner Website, seinem Blog oder in einer Broschüre reine Fakten über seine Dienstleistung vermitteln. Nüchtern, sachlich, stimmig. Diese Urform des Marketings, also Werbung im klassischen Sinn, funktioniert heute jedoch nicht mehr in dem Masse. Zum einen sind die Konkurrenz und vor ­allem die schnellen Vergleichsmöglichkeiten des Verbrauchers im digitalen Zeitalter rasant gewachsen. Und wenn wir ganz ehrlich sind, unterscheiden sich Druckereien in recht wenigen signifikanten Punkten voneinander. Geht es beispielsweise um einen simplen Akzidenzdruck, so ist die reine Dienstleistung wohl von jedem Drucker zu bewerkstelligen, der seine Lehre erfolgreich absolviert hat. Wer also ­lediglich kommuniziert, dass er drucken kann, wird damit nicht gerade den sprichwörtlichen Blumentopf, geschweige denn Kunden gewinnen. Zum anderen haben sich auch die Möglichkeiten der Eigendarstellung vervielfacht und werden im gleichen Masse vom Konsumenten erwartet.

Content, Content, Content!

So lautet die Formel zeitgemässer Kommunikation – wir leben im Informationszeitalter und in dieser Welt müssen erfolgreiche Anbieter, ob sie nun wollen oder nicht, ihre Rolle übernehmen. Natürlich ist das eine nicht unbeträchtliche Investition von Geld und Zeit, sie bringt jedoch auch grosse Chancen mit sich. Das Vermitteln von fachspezifischen Informationen, von Hintergründen und Know-how unterstreicht die jeweilige Kompetenz des Dienstleisters noch bevor er irgendeinen praktischen Beweis hierfür angetreten hat. Er stellt aber auch im Gegensatz zu klassischen Werbeformen nicht nur eine Behauptung auf, sondern untermauert diese mit nachvollziehbaren, ­überraschenden oder unterhaltsamen ­Informationen. ­Content Marketing nimmt also schon einen Teil des Akquise­gesprächs vorweg und kann einen ersten ­guten und nahbaren Eindruck vor dem persönlichen Kundenkontakt erzeugen.

Lange Zeit brachte man das Content Marketing lediglich mit Leadgenerierung und den damit zusammenhängenden Suchmaschinen-Rankings in Verbindung. Diese Bedeutung scheint langsam (aufgrund der ­ständig angepassten Algorithmen) abzunehmen; seine generelle Aufgabenstellung im Kommunikationsmix – also Positionierung der Marke, Kundengewinnung und Kundenbindung – hat sich dadurch jedoch nicht verändert. Zur Erfüllung dieser Punkte gibt es einen ganzen Werkzeugkasten, der von Blogs, Infografiken, Umfragen und Studien über Ratgeber, E-Books und Testergebnisse bis hin zu Kundenmagazinen (Corporate ­Publishing), Newslettern und klassischer PR-Arbeit reicht. Im Optimalfall greifen mehrere Instrumente ineinander und ergeben eine stringente Content-Marketing-Strategie, die entweder den eigenen Markenkern oder aber den Kunden («Customer Journey») in den Mittelpunkt stellt.

Von sich selbst absehen

Content Marketing ist stets eine Gratwanderung: Wer Geld und Zeit hierfür in die Hand nimmt, möchte einen Werbeeffekt sehen und möglichst auch schnell in der Bilanz spüren. Allerdings bedingt Content Marke­ting, von sich selbst und seinem Unternehmen erst einmal ein wenig abzusehen. Schliesslich tritt man hier quasi als neutraler, kompetenter und seriöser Vermittler von sachlichen Inhalten auf und verlinkt den ­Leser oder Nutzer nur subtil mit dem eigenen Angebot. Je offensichtlicher der Werbecharakter zum Vorschein tritt, desto skeptischer wird die Botschaft vernommen und – manchmal noch viel wichtiger – geteilt und weitergetragen. Allerdings sollte dennoch klar herausgearbeitet werden, wer hier sein Fachwissen preisgibt, und vor allem, ­warum er der perfekte Partner für den Leser ist. Dann bietet Content Marketing unschlagbare Vorteile: Ist man auf diese Art einmal mit dem Interessenten in Kontakt, so ­lassen sich mit recht einfachen Mitteln Kunden intensiver binden. Sei es durch Umfragen, durch die man mehr über die Bedürfnisse auf dem Markt erfährt, oder aber durch regelmässige Newsletter, die das Unternehmen stets in Erinnerung bringen. Je mehr «Wertvolles» ich von meinem Dienstleister ausserhalb eines konkreten Auftrages erhalte – und Informationen sollten derart wertvoll sein –, desto mehr fühle ich mich ihm verbunden und vertraue seiner Expertise.

Storytelling – Grimms Märchen 2.0?

Wie schon eingangs erwähnt, ist das Storytelling keine eigenständige Marketingform, sondern vielmehr ein stilistisches und äusserst probates Mittel des Content Marketing. Erinnern Sie sich einmal an Ihre Schulzeit – welche Lehrkraft war Ihnen die liebste? War es die rundum Gebildete, die Jahreszahlen herunterschnurren konnte wie ein Computer? Oder war es vielmehr die Smarte, die mit oft abschweifenden Anekdoten für Lacher sorgte? Der Mensch liebt Geschichten von klein auf und stellt darüber hinaus durch eine Geschichte viel leichter eine dauerhafte Verknüpfung zwischen Botschaft und Absender her. Denn diese Art der Kommunikation zielt direkt auf das Wecken von Emotionen ab. Im Grunde genommen sind Märchen ja nichts anderes als erhobene Zeigefinger – da aber unser Mitgefühl, unsere Sympathie für die Figuren geweckt wurden, dringt die «Moral von der Geschichte» nur subtil zu uns durch. Würde diese für sich alleine stehen, wäre das Buch hingegen schnell zugeklappt.

Diesen emotionalen Effekt macht sich das Storytelling zunutze: Wenn Sie sich also beispielsweise auf Ihrer Website präsentieren, sollten Sie nicht nur die drei essenziellen Fragen «Was mache ich?», «Wie mache ich es?» und «Warum tue ich es?» beantworten (wobei letztere die schwierigste, aber wichtigste ist!), sondern diese Antworten auch in glaubhafte Geschichten giessen, die bei Aussenstehenden etwas auslösen – Neugierde, Sympathie, Spannung. Als Leitfaden dürfen gerne wieder die Brüder Grimm dienen: Jedes Märchen hat einen Protagonisten, ein Problem und eine Lösung. Erzählen Sie also von sich, ihrer Leidenschaft, ihrem Antrieb. Zeigen Sie Probleme/Aufgabenstellungen und gleichzeitig die Lösung auf. Oder, um auf reinen Content in einem Blog zurückzukommen: Erzählen Sie von einem Projekt, den Schwierigkeiten dabei und zugleich von der rettenden Idee. Vermitteln Sie nicht nur das reine How-to, sondern versetzen Sie den Leser gedanklich zunächst in eine Situation, in der es zur Anwendung kommt. Alle lieben Geschichten, alle lieben «Helden» und alle mögen Menschen, die Probleme lösen.

Analoges Storytelling

Der schönste Aspekt des Storytellings ist, dass es auch ganz analog hervorragend funktioniert. Wie wichtig für das Druckgewerbe! Denn die fabelhaften Möglichkeiten der Onlinekommunikation ersetzen in keinem Fall die haptische, analoge Kommunikation mit dem Kunden. Schliesslich kann hier auf den ersten Griff etwas vermittelt werden, wofür es ansonsten unzählige Fotoshootings und Posts bräuchte.

Ein Beispiel analogen Storytellings, das mir bei der Vorbereitung dieses Artikels sofort in den Sinn kam, ist nicht nur thematisch passend, sondern untermauert auch die These, wie sehr sich eine gute Geschichte im Gedächtnis verankert: Bei dem hier gezeigten Kundengeschenk einer Druckerei ­handelt es sich um zwei fantastisch duftende Seifenstücke mit Blüten, die von der örtlichen Apothekerin hergestellt wurden. Umhüllt werden sie von einer haptisch reizvollen, eigens angefertigten Schachtel mit Magnetverschluss, die sich mehrfach öffnen lässt. Und so erzählt dieses Produkt ohne viele Worte von der regionalen Verbundenheit des Unternehmens, aber auch von Weltoffenheit, von Naturbewusstsein und technischem Know-how, von Handarbeit und Hightech. Das Geschenk sensibilisiert ­Augen, Nase, Ohren, Hände – die wunderschöne Optik, das leise Klacken des Verschlusses, der Duft der Seife und die unterschiedliche Haptik der Papiere ergeben zusammen eine komplette Geschichte, ohne eine Silbe über Druck oder Druckerei zu verlieren. Natürlich werden diese ­Zusammenhänge noch mit einem Leaflet verdeutlicht … Das Erlebnis an sich ist aber der Schlüssel für die nachhaltige Wirkung.

Fazit

Gerade in der Druckbranche lassen sich nicht nur hervorragende Geschichten erzählen, da die Produkte so alltagsnah sind, ­sondern auch viele fachliche Themen zu Marketingzwecken aufbereiten. Anstatt zu erklären, warum eine Druckmaschine mit sechsfachem Farbwerk grossartig ist, sollte man viel mehr nah am Kunden, seinem ­Wissensstand und seinen Interessen ­bleiben. Hier können auch aktuelle Themen aufgegriffen werden, die die Gesellschaft bewegen. Ein Hintergrundbeitrag über ökologische Farben beispielsweise, über Recycling oder aber über die FSC-Zertifizierung ist hochaktuell, kann gut über Social-Media-Beiträge geteilt und mit dem eigenen Angebot verknüpft werden. Solch sogenannte Purpose-Storys sind natürlich nur dann sinnvoll, wenn Ihnen die Themen ernsthaft am Herzen liegen. Denn ganz egal, wie die Content-Marketing-Strate­gie aussieht: Inhalte, die nicht wahrheitsgemäss sind, werden heutzutage schneller ­enttarnt als der Bösewicht im Märchen …

  • Autor Bettina Schulz
    Bettina Schulz ist freiberufliche Texterin und Journalistin in München. 18 Jahre lang leitete sie als Chefredakteurin das internationale Fachmagazin novum World of Graphic Design und initiierte in dieser Zeit auch die alle zwei Jahre stattfindende Creative Paper Conference in München. Zudem ist sie Jurymitglied verschiedener (internationaler) Designwettbewerbe wie beispielsweise dem Red Dot Communication Design, dem Design Preis München oder dem IIIDaward und hielt bereits zahlreiche Vorträge. Zu ihren Kunden zählen Verlage, Agenturen und Kreative sowie Unternehmen aus der Wirtschaft. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf den Bereichen Papier, Druck und Veredelung. www.bettina-schulz.de.
  • Rubrik Print
  • Dossier: Publisher 6-2019
  • Thema Storytelling

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